Bisher sind die meisten Stand-Alone Batteriespeicher im Markt für Primärregelleistung (FCR) aktiv. Aufgrund der relativ kleinen Marktgröße und den daraus resultierenden möglichen Kannibalisierungseffekten (Siehe Teil 1 dieser Artikelserie), betrachten Projektentwickler und Investoren bei der Planung von neuen Projekten immer öfter auch den Markt für Sekundärregelleistung (aFRR).
Über die historischen Erlöse habe ich bereits in diesem Artikel vom April 2022 berichtet. Die Betrachtung fand jedoch ohne eine Analyse der Preisveränderungen durch zusätzliche Speicher statt. Genau wie im Beitrag zur FCR beschäftige ich mich daher mit der Frage:
Wie sehr hätte eine zusätzliche Flexibilität in Höhe von 100 MW die historischen Marktpreise beeinflusst?
Marktüberblick & Entwicklung
In Deutschland werden täglich ungefähr 2.000 MW an positiver und negativer aFRR von den Übertragungsnetzbetreibern zum Ausgleich von Schwankungen im Stromnetz beschafft. Die nachgefragte Menge im aFRR-Markt ist etwa viermal so groß wie im FCR-Markt. Obwohl der Anteil der erneuerbaren Energien im Stromnetz gestiegen ist, hat der Bedarf in den letzten Jahren leicht abgenommen. Der rückläufige Bedarf im aFRR-Markt kann darauf zurückgeführt werden, dass die Prognosegenauigkeit von EE-Anlagen stärker gestiegen ist und kurzfristige Ungleichgewichte im Stromnetz zunehmend über den Intraday-Markt ausgeglichen werden. Mittelfristig erwarte ich daher trotz des Ausbaus erneuerbarer Energien keine bedeutende Änderung des Bedarfs.
Seit 2021 veröffentlichen die Übertagungsnetzbetreiber neben den Ausschreibungsmengen auch die Höhe der angebotenen Leistung aller Marktteilnehmer. Im Schnitt wurden in den letzten beiden Jahren täglich 3.700 MW negative und 4.400 MW positive aFRR bereitgestellt. Das Angebot ist damit ungefähr doppelt so hoch wie die Nachfrage.
Spannend ist, dass das Angebot im Zeitverlauf stark variiert. Die folgende Grafik zeigt die minimale Nachfragedeckung in den letzten beiden Jahren. Dabei wird deutlich, dass es im aFRR-Markt durchaus eng werden kann. Im vierten Quartal 2021 gab es Zeiträume, bei denen die Angebotsmenge für negative aFRR nur 10% über dem Bedarf der Netzbetreiber lag. Insgesamt ist das Angebotsüberhang auf dem aFRR-Markt damit kleiner als auf dem FCR-Markt (siehe Consentec Studie).
Preiseffekte im aFRR-Markt
Der Preis im aFRR-Markt bildet sich über tägliche Auktionen nach dem Pay-as-Bid Prinzip. Das bedeutet, dass jeder aFRR-Anbieter eine Vergütung basierend auf seinem tatsächlich gebotenen Preis erhält. Um die historischen Preiseffekte einer zusätzlichen Flexibilität von 100 MW auszuwerten, habe ich den mengengewichteten durchschnittlichen Gebotspreis aller bezuschlagten Anbieter pro Zeitscheibe zwischen 2020 und 2022 ausgewertet. Die Ergebnisse sind in der folgenden Grafik quartalsweise zusammengefasst.
Es zeigt sich, dass der aFRR-Preis durch eine zusätzliche Flexibilität von 100 MW im Schnitt etwa 4% niedriger ausgefallen wäre als im historischen Durchschnitt. Damit ist der Preis deutlich stabiler als bei der FCR. Das überrascht nicht, da das Auktionsverfahren in der aFRR nach dem Pay-as-Bid Prinzip abläuft. In diesem Auktionsmodus haben Marktteilnehmer den Anreiz, ihr Gebot so nahe wie möglich an den Grenzpreis zu legen. Nur damit können sie den maximalen Erlös erzielen und langfristig ihre Deckungsbeiträge erzielen. Dies führt in der historischen Betrachtung zu einer geringeren Preiselastizität.
In der Praxis ist der direkte Vergleich der Preiseffekte mit historischen Daten zwischen aFRR und FCR daher mit Vorsicht zu genießen. Ein neuer Anbieter im aFRR-Markt würde zwar kurzfristig nur eine geringe Preisveränderung auslösen. Mittel- und langfristig sollte sich jedoch auch hier der Preis in Richtung eines neuen Gleichgewichtspreises verschieben, da die bestehenden Marktteilnehmer auf Preis- und Angebotsveränderungen mit ihren Geboten reagieren.
Zusammenfassung der Ergebnisse
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass eine zusätzliche Flexibilität von 100 MW im aFRR-Markt nur geringfügige Auswirkung auf die historischen Marktpreise gehabt hätte. Im Vergleich zum FCR-Markt erscheint der aFRR-Markt somit robuster gegenüber dem Eintritt neuer Marktteilnehmer. Dies liegt unter anderem daran, dass der Bedarf im aFRR-Markt im Vergleich zum FCR-Markt deutlich höher ist und das Überangebot geringer ausfällt. Darüber hinaus spielt auch das Marktdesign eine Rolle, da die Auswertung mit historischen Daten eine Veränderung im Bieterverhalten der Marktteilnehmer nicht abbildet.
Ich rate dazu, bei der Planung und Dimensionierung von Großbatteriespeichern auch die Teilnahme am aFRR-Markt zu berücksichtigen und die Präqualifikation bereits bei der Inbetriebnahme vorzunehmen. Dadurch ist es möglich, im Falle von Preisrückgängen im FCR-Markt, die Leistung in den aFRR-Markt zu verlagern und so den Wert des Investments langfristig zu steigern. Zusätzlich ergeben sich im aFRR-Regelarbeitsmarkt weitere Optimierungsmöglichkeiten.
Danke für den spannenden Beitrag! Für Batteriespeicher wird die aFRR, gerade durch den Zubau von Großbatteriespeichern, aus meiner Perspektive ein wichtiger zusätzlicher Markt zur Diversifikation.
Gerne würde ich folgenden Aspekt mit Blick auf das aFRR-Marktvolumen sowie den Bedarf ergänzen: Ich teile Ihre Annahme, dass der Bedarf, trotz oder eben wegen des Ausbaus an erneuerbaren Energien bestehen bleibt. Zwar ist davon auszugehen, dass die Prognosegüte sich stetig verbessert, dennoch wird die aFRR für sehr kurzfristige Prognoseabweichungen, welche nicht mehr vollständig über den Intradayhandel ausgeglichen werden können, entscheidend sein. Insbesondere bei einem starken Zubau an EE-Anlagen stellt sich die Frage, ob der Bedarf an Abrufvolumen längerfristig doch steigen wird. Ein Indiz dafür könnten die unerwartet hohen Abrufvolumina in der negativen aFRR in den letzten Tagen (April 23) und die entsprechend hohen Preise für Ausgleichsenergie sowie im Intraday sein.
Spannend ist noch hervorzuheben, dass einige der Anlagen, welche momentan aFRR erbringen, in den kommenden Monaten & Jahren aus dem Markt gehen werden, u.a. aufgrund des Atom- und Kohleausstiegs.